Franz Hessels Novelle über das schillernde Berlin der goldenen Zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Auszug: ''Bis zum Frühjahr 1924 lebte in Berlin ein junger Mensch, dessen Erscheinung die Männer und Frauen seines Bereiches erfreute, ohne dass sie seinem Wesen tiefer nachforschten. Erst als er fortging, erregte er bei einigen ein schwer zu erklärendes Abschiedsweh. Bei denen ändert sich jetzt Miene und Tonfall, wenn sie von ihm sprechen, sie denken oft an ihn und ordnen ihn in Zusammenhänge und Schicksale ein, die er kaum gestreift hat. Unvergesslich ist Wendelins Auftreten in der Galauniform seines Urgroßvaters, des Kammerherrn von Domrau, an dem Abend bei Margot kurz vor seiner Abreise. Margot hatte gebeten, man solle sich verkleiden. Das hatten aber nur einige von den Frauen ernst genommen, von den Männern außer Wendelin keiner. Zwischen den dunklen Tuchen und bunten Seiden wirkte sein soldatisch eng anliegender Rock mit dem verschossenen Braunrot, wie man es nur noch in alten handkolorierten Kinderbüchern findet, farbiger als alles umher; in den engen weißen Hosen, die mit Stegen um die Schuhe griffen, schienen seine Beine nicht durchaus auf dem Boden, sondern beim Gehen und Tanzen in einer Luftschicht zu enden, beim Stillstehen wie auf einem Zinnsoldatenbrettchen zu ruhen. Der hohe Tressenkragen vermehrte die schüchterne Noblesse seiner Haltung und trennte schwertscharf den rotblonden hellhäutigen Kopf vom Rumpfe.