Harold II. Godwineson (oft auch „Godwinson“ oder „Godwinsson“) - eine geheimnisvolle Figur des englischen Mittelalters, welche in der Öffentlichkeit sicher nicht jedem bekannt ist. Oder nicht mehr bekannt, als eben jener König, der vom berühmten französischen Normannenherzog Wilhelm dem Eroberer 1066 in der Schlacht bei Hastings besiegt wurde und starb, nachdem er von einem bretonischen Bogenschützen tödlich ins Auge getroffen wurde. Dies liegt womöglich an seiner kurzen Regierungszeit von 9 Monaten und 9 Tagen, einer der kürzesten der englischen Monarchie (Edmund Ironside regierte sieben Monate und 12 Tage), welche chronologisch gesehen als kurzweilige Interferenz zwischen den recht langen Regierungszeiten des „letzten“ angelsächsischen Königs Edward dem Bekenner (24 Jahre) und des epochal neuen Königs der Anglonormannen, also Wilhelm (21 Jahre), gelten könnte. Trotzdem spielte er eine Schlüsselrolle als Regent während der scharfen Zäsur englischer Königsgeschichte um das Jahr 1066. Daher möchte ich in dieser Arbeit die Aufmerksamkeit auf ihn richten. Bis heute existiert kaum Fachliteratur, welche sich im Mittelpunkt mit Harold II. beschäftigt, hingegen gibt es zu Wilhelm unzählige Werke. Stößt man bei der Literaturrecherche auf belletristische Titel wie „The Last English[!] King“1 von Julian Rathbone, verbleiben im modernen geschichtswissenschaftlichen Bereich neben vielen kleineren Essays die Biographie „Harold the King“ von P. Compton (London 1961), H.R. Loyn mit seinem Artikel ‚Harold, Son of Godwine’ in den anlässlich des 900jährigen Jubiläums erschienenen „1066 Commemoration Lectures“ (London 1966) und schließlich „Harold. The Last Anglo-Saxon King“ von Ian W. Walker. Letztgenanntes Werk stellt neben den Standardwerken von Autoren wie David Bates, Frank Barlow und Marjorie Chibnall sicherlich grundlegende Sekundärliteratur zum Gesamtthema der normannischen Eroberung Englands dar. Ungleich spannender erscheint die Gegenüberstellung der raren Quellen mit den noch rareren Aussagen zu Harold II. Hier könnte man das Wagnis eingehen und aus Tendenziösitätsgründen Wilhelm von Poitiers zusammen mit Guido von Amiens als Vertreter der hauptfranzösischen Primärquellen „auf“ den Teppich von Bayeux stellen und demgegenüber Wilhelm von Malmesbury und „Die Angelsächsische Chronik“ halten. Allein die Eidfrage stellt sich hierbei geradezu erneut, scheint sie doch nur mit Logik, nicht aber mit gegensätzlicher Quellenlage klärbar, doch dazu später.